Goldrush ...
18.09.13 05:44 Abgelegt in: California

Foto: Jürgen beim Goldwaschen, Marshall Gold Discovery SHP, CA
Puh - spät ist es heute schon und das liegt allein daran, dass der Tag wieder sehr gut ausgefüllt war. Begonnen hatte alles mit einem reibungslosen Ablauf: Aufwachen, duschen, Mails checken, kurz mit Kleve telefonieren, mit Ella, Aurelia und Andrea skypen, Vater und Mutter kurz Bericht erstatten, zusammenpacken und das Auto beladen. In der Lobby gibt es ein mittleres Frühstück - gar nicht schlecht. Gabi genießt wieder einmal Waffelteig zum selberzapfen, rein ins Eisen, drehen, 2 Minuten warten, Ahornsirup drauf - fertig!
Es ist noch nicht ganz 8 Uhr, da fahren wir schon los. Die rush-hour bremst uns nur mäßig aus. Zügig geht es auf dem Hwy. #50 Richtung Lake Tahoe. Eine Option war es, in Folsom in der Sutter Street zu frühstücken. Hat sich erledigt, denn die Bäuche sind voll. Andere Option: in Folsom das Premium Outlet mit über 80 Geschäften fürs garantierte Schnäppchen besuchen. Das liegt direkt an der Autobahn und eben hatten sie im Fernsehen (beim Frühstück) dafür geworben. Die machen aber erst um 10 Uhr auf und das ist uns zu spät. Also fahren wir vorbei, was sich später als absolut richtig erweist, denn wir benötigen die Zeit für andere - gemütliche - Dinge.
In Placerville machen wir erst mal Halt. Das Nest ist durch den Goldrush groß geworden und trug früher den netten Namen „Hangtown“. Man kann sich denken, warum. Immerhin gibt es hier heute noch die in den ganzen USA seit 1850 einzige durchgängig erscheinende Tageszeitung und den ältesten Laden im Westen der USA, der seit 1850 durchgängig geöffnet hat: den Hardware-Store. Dort müssen wir rein und ich kann bestätigen: es gibt absolut nichts, was es hier nicht gibt. Jeder deutsche Baumarkt, Eisenwarenladen, Souvenirshop, Haushaltswarenladen, Grillzubehörladen, Bastelladen etc. würde im Vergleich extrem alt aussehen. Und wie sagte uns später ein Einheimischer: was du hier nicht siehst, kramen sie vom Lager hervor: es gibt einfach ALLES! Wir finden natürlich einige Mitbringsel, u.a. einen Fishfinder für Christian …
Hier in Placerville kreuzt der von Nord nach Süd verlaufende Hwy. #49 den Hwy. #50. Und der ist benannt nach dem Jahr 1849, als hier der Goldrush begann. Entlang dieser Straße findet man heute noch viele Örtchen, die unmittelbar mit dem Gold der ersten Siedler verbunden sind. Unser Plan ist es, die Stelle aufzusuchen, wo alles begann: den Marshall Gold Discovery State Historic Park. Wie sagte die Dame heute morgen im Vistor Center Placerville? „Because of John Marshall and his Gold discovery we are today here - without him we were not!“
Also wenden wir uns nach Norden, kurven wieder einmal heftig durch die Berge und erreichen 30 Minuten später den Ort des historischen Geschehens. Das Visitor Center ist sehr informativ, los ist hier fast nichts. In wenigen Minuten, also um 11 Uhr beginnt eine geführte Tour, bei der alles über die spannende Zeit berichtet wird. Die beiden Brüder (einer war in Bitburg bei der Army und freut sich, dass Mutter in Trier geboren ist), die uns schon ein paar Goldklumpen gezeigt haben, müssen uns nicht lange überreden - da simmer dabei! Bis 11 Uhr sind wir auch mit dem Guide alleine, dann stößt doch noch ein älteres Pärchen aus Stuttgart dazu. Beide sprechen kaum Englisch und verstehen kein Wort. Ich übersetze zur Begeisterung des Guides seinen kompletten Text und versuche hier aus der Erinnerung mal die Kurzform der echt interessanten Geschichte:
Hier in dieser Gegend lebten damals natürlich die „native Indians“, sehr friedliche Indianer, die am nahen Fluss fischten, Getreide und Mais anbauten, das sie in Felsvertiefungen mit anderen Steinen mahlten, wuschen, zu Brei verarbeiteten und sich so ernährten. Sie lebten im Freien, lediglich im Winter bezogen sie ihre Tippies, die sie aus Baumrinden und Fellen errichteten. So weit - so gut! Leider nimmt die Geschichte bezüglich der Indianer keinen guten Verlauf, wie wir wissen: Die Siedler, die von New York aus durch die Plaines gezogen waren, hatten dort schlechte Erfahrungen mit den da aggressiveren Indianerstämmen gemacht und verfuhren nicht sehr zimperlich mit den friedlichen Leutchen hier. Viel schlimmer war jedoch, dass diese den Krankheiten, die die Weißen einschleppten, nichts entgegen zu setzen hatten - sie hatten einfach nicht das nötige Immunsystem. So starben hier allen von 1800 - 1900 über 90% (!) der Indianer an Seuchen, die der „weiße Mann“ eingeschleppt hatte.
Nun hatte der Schweizer John (Johann) Sutter ja 1839 Fort Sutter und damit Sacramento begründet (da waren wir gestern - passend!). Er arbeitete mit Indianern zusammen und zog 1847 los, um in den Bergen Holz zu schlagen und zu sägen. Zusammen mit seinem Partner John Marshall begann er exakt hier damit, eine Sägemühle zu bauen. Außer den beiden waren ca. 15 Weiße und zusätzlich indianische Hilfskräfte mit von der Partie. Die Sägemühle wurde am American River errichtet, einen Nachbau zeigte uns der Guide. Es gab 3 Gründe dafür, genau hier mit dem Bauvorhaben zu beginnen: 1. hatte der Fluss hier das richtige Gefälle und damit die Kraft, die Mühle anzutreiben, 2. wuchsen hier die Pondarose Pines, jene Kiefern, die sehr gerade wachsen und sich prima zur Weiterverarbeitung eignen und 3. war der Platz ordentlich erschlossen. Die gesägten Bretter einfach den Fluss bis Sacramento hinab treiben zu lassen erwies sich als unmöglich wegen der Stromschnellen, in denen sich die Ware immer verkeilte. Das Beste war es, die Bohlen mit Ochsenkarren nach Sacramento zu bringen.
Es ist schon enorm, was die damals mit ihren Händen geschaffen haben! Das Sägewerk konnte von nur 2 Männern betrieben werden. Dann schauen wir uns die Stelle an, an der man vor vielen Jahren die Fundamente der alten Sutter-Säge gefunden hat. Heute steht hier ein Mahnmal. Ein Teil der Fundamente liegt immer noch hier im Fluss - für die nachfolgenden Generationen. Der American River machte hier eine Schleife und Sutter baute die Mühle auf einer Sandbucht, durch die er einen Kanal zum Antrieb des Wasserrades graben ließ.
Der 24. Januar 1848 war ein Sonntag und damit arbeitsfrei. Am Samstag Abend hatte man den Bauplatz gesäubert und überflüssiges Material abgespült. Der Schutt sammelte sich etwas weiter flussabwärts. John Marshall schaute sich das am Sonntag Vormittag an und wollte sehen, was am Montag als Erstes zu tun war. Dabei entdeckte er, das die Spülerei das Flussbett an dieser Stelle komplett ausgewaschen hatte. In den Felsritzen am Flussbett schimmerten goldene Klümpchen. Gold? Er brach es heraus und machte den Härtetest mit dem Hammer - kein Katzengold! Dann zeigte er seinen Fund der einzigen Frau, die im Team für das leibliche Wohl sorgte und die den Goldrush in Georgia mitgemacht hatte. Sie stellte auch Seife her und legte das Gold über Nacht in Lauge - es war morgens noch da. GOLD!!
Die Freude war sicher groß - doch fanden Sutter und Marshall, das sie das besser für sich behalten sollten, damit ihre Mühle in Ruhe weiter betrieben werden kann. Sie hatten die Rechnung aber ohne ihren Mitarbeiter Branning gemacht, der alles an Werkzeug aufkaufte, was sich zum Goldschürfen eignete, nach San Francisco ging und dort verkündete, dass in den Bergen vor Placerville Gold gefunden worden war und ER das nötige Werkzeug verkaufe - der erste Millionär des Goldrausches war gesetzt.
Kurz darauf fielen rd. 1.000 Amerikaner über dieses Gebiet her und stellten fest, dass das Gold breit gefächert in allen Flüssen zu finden war. Soweit noch kein großes Problem (es lebten derzeit nur rd. 10.000 „Amerikaner“ - ohne die „Indianer“ in Kalifornien). Wie es der Zufall so wollte, ging aber nur 8 Tage nach dem Goldfund der mexikanische Krieg zu Ende. Bis dahin war die Gegend hier mexikanisch, nun erhielten Kalifornien, Arizona, Nevada, Teile von Utah etc. ihre eigenen Staatsrechte. Und die kalifornische Militärhoheit stellte fest: 1. Der Vertrag zwischen Sutter/Marshall und den Indianern (Überlassung der Schürfrechte gegen Kleidung und Lebensmittel) ist ungültig, weil das Land den Indianern nicht gehört und sie es damit auch nicht vertraglich weitergeben können und es 2. JEDERMANN in der freien Welt erlaubt ist, hier in Kalifornien auf eigene Rechnung zu schürfen. Um das „wasserdicht“ zu machen wurden auch gleich einige Proben des Goldes samt Kartenmaterial nach Washington DC gebracht, von wo aus die frohe Kunde hinaus in die Welt ging. Die Folge: Bis Ende 1848 (also in 11 Monaten) kamen 90.000 Chinesen, Australier, Neuseeländer, Deutsche, Franzosen, Iren etc. nach Kalifornien und 1850 noch einmal 90.000.
Aus den 15 Personen rund um Sutter & Marshall wurden also in knapp 2 Jahren 200.000. Nur 5% waren erfolgreich. Viele schämten sich ob ihres Misserfolges und kehrten niemals Heim - sondern blieben in Kalifornien. Von den 200.000 waren 92% junge Männer - man kann sich gut vorstellen, wie die Frauen beschaffen sein mussten, um hier zu bestehen. Schöne Geschichte: eine junge Frau brachte es 1850 in einem Jahr allein mit einer Wäscherei und Bäckerei auf 20.000$.
Nach 5 Jahren war das Goldwaschen aber ineffektiv geworden und man suchte die Quelle des Goldes: Alle Flüsse fließen hier von Ost nach West durch die Sierra Nevada. Das „Mutterflöz Gold“ erstreckt sich rd. 180 Meilen vom Yosemite NP nordwärts. Man kam auf die Idee, das Gold im Bergbau abzubauen. Der Goldrush industrialisierte sich. Das Gestein wurde gefördert und in von Wasserkraft oder Dampf angetriebenen Maschinen zerkleinert. Gebunden wurde der Goldstaub mit Quecksilber - nicht sehr gesund. Später nutzte man sogar Hochdruckwerfer, die mit Wasserkraft Gestein gen Tal beförderten, damit dieses dort weiter verarbeitet werden konnte.
Alles in allem muss das eine wilde Zeit gewesen sein. Auf Golddiebstahl stand „Hängen am Strang“.
Es war eine wirklich sehr interessante Führung, die aufgrund der Originalschauplätze und der gezeigten Maschinen etc. sehr lebendig war. Im Anschluss daran besuchten wir den Blacksmith, der Gabi und mir eine Sonderprobe seines Könnens gab - Erinnerungsschmiedearbeit inklusive. Nach einer kleinen Stärkung (Obst und Cracker) stand dann die „Schulstunde“ im Goldwaschen auf dem Programm. Und siehe da, wir waren erfolgreich. Mit ganz viel Mühe und der richtigen Technik kann man hier auch heute noch winzige Goldkörnchen waschen. Wir wissen jetzt, wie es geht ...
Gegen 14 Uhr fahren wir weiter Richtung Lake Tahoe (#49, dann #50). Gut, dass wir so viel Zeit hatten hier. Ich bin dermaßen müde, dass Gabi mich kurz darauf beim Fahren ablösen muss. Die Strecke ist sehr schön. Es geht über einige Pässe oberhalb 2.000 Meter immer durch dichten Wald. Und dann liegt er plötzlich unter uns: der dunkelblaue Lake Tahoe. Schöner Anblick. Im Big Pines Mountain House beziehen wir unser erstaunlich günstiges Zimmer, um gleich darauf wieder aufzubrechen. Wir wollen noch ein wenig in die Berge fahren, um ein paar schöne Fotos zu machen. Da läuft uns ein Coyote über die Straße - das geht ja gut los.
Dabei kommen wir durch große Waldgebiete und plötzlich sehen wir vor uns Blaulicht und Autos am Wegesrand. Gabis Reflex: „Ein Bär!“ Falsch: „Zwei Bären“ - und zwar eine Mutter mit ihrem Jungen. Etwas weit weg im Wald zwar - für ein paar Fotos reicht es aber! Neben mir steht eine ältere Dame, die mir mit Blick auf meine Nikon ihre Visitenkarte gibt und um ein Foto per Mail bittet. iPhone hin oder her - damit hatte sie keine Chance. Sie hat ihr Bild eben per E-Mail bekommen.
In den Bergen finden wir noch einen schönen Aussichtspunkt (Emerald Bay) auf den See. Als wir wieder zurück im Motel sind, stehen gut 40 Kilometer mehr auf dem Tacho. Nun ziehen wir uns lange Hosen, Schuhe und Jacken an, denn am See ist es doch ziemlich frisch. Dort finden wir aber das nette „Beach House“, in dem es zur Happy Hour Wein, Bier, Fish-Tacos und Live-Music gibt. Prima Sundowner!
Auf die Dauer wird es hier aber doch zu kalt, wir wechseln auf die andere Seite der Main Street. Hier gibt es Geschäfte und Restaurants im Überfluss. Wir setzen uns im „Base Camp“ draussen hin, hüllen uns in Decken, ordern Pizza und Nudeln, Bier (das tolle „Lost Coast Bewery - Tangerine Wheat“ aus Eureka) und „bottomless“ Diet Coke (sprich: Cola bis zum Abwinken) und lauschen dem sehr talentierten jungen Gitarristen, der sich erst einen Loop einspielt und dann dazu toll singt und Gitarre spielt. Kann man schwer erklären, ist einfach klasse und gekonnt …
Als wir nach 20 Uhr ins Zimmer kommen, springen wir erst mal unter die Dusche - es war doch ziemlich frisch draussen. Dann geht es los mit der Sichtung der Fotos und dem Tagebuch. Gabi schläft schon lange, es ist nun 23:35 Uhr und ich mache auch mal Schluss. Lade das alles hier noch hoch, den Mac wieder auf und sichere das Geschriebene und Fotografierte auf der externen Hard-Disk. Morgen geht es zum Mono-Lake, aber vorher zu einer echten Geisterstadt: Bodie - ich freue mich schon. Gute Nacht!
Tagesetappe: 253 km
Übernachtung: Big Pines Mountain House Motel, South Lake Tahoe, CA