Von sehr alten Bäumen und coolen Filmkulissen
21.09.13 05:50 Abgelegt in: California

Foto: Jürgen in den Alabama Hills, CA
Die Nacht war nicht gut. Ich hatte rasende Kopfschmerzen - kenne ich sonst gar nicht! Zuviel Sonne? Zu viel Höhenluft? Zu viel CO2? Keine Ahnung, die zweite Aspirin wirkt endlich und so geht die Nacht rum. Motel-6-typisch gibt es zum Kaffee nichts als Kaffee - diesmal sogar noch ohne „weißen Hai“ (s. 13.09. - Frühstück). Dafür scheint die Sonne und um halb 9 verlassen wir das sehr schöne Mammoth Lakes-Tal.
Das Navi will, dass wir einfach der #395 für rd. 180 km folgen - dann sind wir in Lone Pine. Zuerst tun wir das auch, auf der vierspurigen #395 geht das bei 65 Meilen/Std. fix. Schnurgerade geht es dahin und wir verlieren kräftig Höhe. Bei Big Pine sind wir auf knapp 1.000 m Höhe „gefallen“ - hier verlassen wir aber den geraden Weg nach Süden. Die #168 führt nach Osten und später wieder nach Norden - fast bis auf die Höhe von Bishop, das wir eben erst durchquert haben. Allerdings windet sich unsere Straße über eine Strecke von 23 Meilen wie eine Achterbahn in die Berge auf wieder über 3.000 m Höhe. So etwas gibt es auch nur hier im Wilden Westen (glaube ich). Man kann das einfach nicht beschreiben, sondern muss es mal erlebt haben. Solche Straßen kann man sich bei uns zu Hause überhaupt nicht vorstellen. Und dann noch diese Aussicht - atemberaubend. Wenn man zwischendurch vor sich - dort, wo die Straße wieder einen Buckel nach unten macht - nur den stahlblauen Himmel sieht und sich dann in einem Moment die weite Landschaft auftut während gleichzeitig der Jeep nach unten schießt, rein in die nächste Kurve: da kann mal schon mal einen Juchzer lassen …
Unser Ziel wird im Reiseführer (übrigens sehr zu empfehlen: „Reise Know How“ - 1. Der ganze Westen und 2. Kalifornien Süd und Zentral) so beschrieben: „Nur wenige Touristen wissen von den über 4.000 Jahre alten Grannenkiefern (Bristelcone Pines) im Ancient Bristlecone Pine Forest. Die Zufahrt zu diesem für Kenner sensationellen, wenn auch optisch durchaus schlichten Naturwunder erfolgt zunächst …“ „Optisch durchaus schlicht?“ Naja - uns hat der Schulman Grove Discovery Trail durch die ältesten Lebewesen dieser Erde einfach umgehauen. Auch wenn man schon viel gesehen hat: Dass diese Bäume hier lebten, bevor die Pyramiden gebaut wurden oder auch nur das erste menschliche Schriftzeichen erfunden wurde - und dass sie heute in dieser kargen Berglandschaft auf über 3.000 Metern immer noch leben - das berührt uns schon. Und wir finden, dass sie auch sehr, sehr fotogen sind, die Methusaleme unter den Bäumen. Sie sehen zum Teil aus wie abgestorben - das ist aber Teil ihrer Überlebensstrategie. Ihnen reicht ein kleiner Teil mit Borke und „Grün“, um den ganzen Baum lebendig zu halten.
In dem nach einem der hier populärsten Baumforscher „Dr. Edward Schulman“ benannten Visitor Center (niegelnagelneu, erst im September eröffnet). Führt uns der Ranger im kleinen Kino exklusiv einen 19minütigen Film zur Einführung vor. Danach sehen wir die Bäume mit ganz anderen Augen. Ich kann das alles gar nicht aufschreiben. Nur soviel: erläutert wurde u.a. die Technik zur Bestimmung des Alters der Bäume anhand der Jahresringe. Klingt unspektakulär, ist es aber nicht. Die Messungen an lebenden und toten Bäumen sind so exakt, dass sie auf das Jahr genau sind! Anhand dieser Erkenntnisse werden sogar die Geräte zur Radiokarbondatierung geeicht! Der älteste hier lebende Baum (und es ist das älteste bekannte Lebewesen weltweit) ist 4.773 Jahre alt. Da die Wissenschaftler die Baumringe lebender und auch abgestorbener Bäume durch die deutlich sichtbaren „Überlappungen“ der Jahresringe miteinander verlinken können, sind sie nun in der Lage, über 11.000 Jahre zurück in die Zeit zu gehen und die klimatischen Verhältnisse der jeweiligen Epochen abzulesen. Das ist super spannend!
Nach dem Film gehen wir den Trail ab und müssen uns wieder Zeit lassen - sehr, sehr dünne Luft, z.T. sehr steile Wege. Wir sind aber ganz begeistert und schießen viele Fotos. Anschließend führt uns die „Achterbahn“ wieder zurück zur #395 und kurze Zeit später (noch von 14 Uhr) erreichen wir Lone Pine, wo geschlagene 37 Grad Celsius und ein unglaublicher Wind herrschen. Wir sind hier unmittelbar an der Zufahrt zum Death Valley NP. Somit holen wir uns im Visitor Center schon mal die wichtigsten Infos für die morgige Durchquerung dieses riesigen Gebietes - das wird eine lange Fahrt.
Das Best Western in Lone Pine erwartet uns schon und wir bekommen ein riesiges Zimmer - das mit Abstand beste bisher. Da es noch recht früh ist, genießen wir erst mal das kühle Zimmer und ich kann mich einigen E-Mails widmen. Kurz machen wir auch die Augen zu - aber um 16 Uhr geht es wieder los. Diesmal in die Alabama Hills. Hier wurden bereits über 400 Filme, vor allem Western gedreht. Für uns aber viel interessanter: die roten Felsen. Sowas lieben wir ja und das Besondere hier ist, dass es keine festgelegten Anlaufpunkte gibt.
Jeder muss sich hier selbst seinen Weg suchen. Es gibt unzählige tolle Felsformationen, einige Arches (Bögen) - aber keine genauen Pläne. Wir hatten uns schon zu Hause im Internet orientiert. Dennoch finden wir uns hier überhaupt nicht zurecht. Man kann das Auto einfach nur parken und dann in die Wüste hineingehen und -klettern. Dabei sollte man aufpassen, denn die Felsen sind sehr rauh. Außerdem ist das hier der optimale Lebensraum für Skorpione und Klapperschlangen. Daher: „Watch your steps!“.
Wir haben erwartungsgemäß viel Spaß und machen einige nette Fotos. Gabi genießt es besonders, mit dem Jeep die unbefestigte Straße entlang zu pesen. Schade, dass wir keine bessere Orientierung haben. Wir fahren in der untergehenden Sonne noch kreuz und quer über holprige Sandpisten, landen auch noch bei einigen Aussteigern und Felskletterern, die hier in Schlafsäcken unter freiem Himmel campen und beenden dann unseren Besuch für heute - das Licht ist weg. Für uns steht aber fest, dass wir hier irgendwann auch mal viel mehr Zeit verbringen sollten. Mal sehen, vielleicht fahren wir morgen früh noch mal eine Runde dort vorbei? Könnte aber strapaziös werden, denn die Fahrt morgen ist ohnehin schon sehr lang.
Nun kaufen wir noch neue Lebensmittel ein. Das Wasser ist alle (und morgen werden wir einiges brauchen - es gibt nichts Dümmeres, als mit zu wenig Wasser durchs Death Valley fahren zu wollen) und auch Wein kaufen wir, denn in Utah weiß man ja (aus Erfahrung mit den mormonischen Ansichten dort) nie… Doch, es geht noch dümmer: Ohne vollen Tank zu starten - deshalb statten wir auch noch der Fa. Chevron einen Besuch ab - nun ist alles gerichtet.
Ein Abendessen haben wir uns nun redlich verdient. Obst, Nussmischungen etc. waren tagsüber ganz nett, jetzt benötigen wir was Handfestes. Eine typische BBQ-Kneipe zieht uns magisch an. Gabi ordert einen Chicken-Burger und ich lasse mich zum „Friday special“ überreden. Ging schnell! Ich hatte nur ganz anderes erwartet: Unter „Prime Rib“ hatte ich (fälschlicherweise) Ribbs (also Spareribbs) auf Südwest-Art verstanden. Ich bekam aber sowas wie gekochtes Rindfleich. Die Scheibe war so gigantisch - das war eine halbe Kuh! 2 Finger dick und so groß wie ein Dessertteller. Mannomann - eigentlich nicht mein Ding, aber doch ganz lecker. Interessanterweise schmeckte die Kuh an verschiedenen Ecken dieses „Ribs“ sehr unterschiedlich.
Jetzt geht es auf 22 Uhr und gerne würde ich den großen Flachbildschirm mal starten. Freitagabend - da muss es doch einen amerikanischen Film geben, den wir noch zur Hälfte angucken können, bevor uns die Augen zufallen, oder? Gute Nacht!
Tagesetappe: 285 km
Übernachtung: Best Western Plus Frontier, Lone Pine, CA